Ratgeber zur Aufklärung und Vorbeugung
Sucht- und Jugendhilfe e.V.
Problematische Social-Media-Nutzung nimmt zu
Einige Jugendliche kommen mit der Flut an neuen digitalen Kommunikationsmöglichkeiten gut zurecht, dosieren ihr Online-Verhalten und nutzen die Vielfalt und Vorteile sozialer Medien sinnvoll und kritisch. Andere aber zeigen problematisches Nutzungsverhalten oder sind mittlerweile sogar abhängig von sozialen Netzwerken. Bisher ist die Social-Media-Sucht noch nicht als eigenständige Diagnose aufgelistet, ihre Symptome orientieren sich jedoch an der mittlerweile als Diagnose anerkannten Computerspielstörung. Übermäßige oder suchthafte Social-Media-Nutzung hat oft weitreichende Folgen sowohl für Betroffene als auch für das soziale Umfeld. Dennoch werden die negativen Auswirkungen immer noch viel zu häufig unterschätzt und verharmlost. Dabei leiden Betroffene meist erheblich unter der Sucht, die ihr Verhalten verändert, gesundheitliche Probleme und soziale Konflikte hervorrufen oder verschärfen kann. 25 Prozent der 10- bis 17-Jährigen nutzen soziale Medien mittlerweile problematisch. Im Jahr 2019 lag der Anteil der problematischen Social-Media-Nutzung noch bei 11,4 Prozent. Das bedeutet einen Anstieg von 126 Prozent. 4,7 Prozent der problematischen Nutzerinnen und Nutzer gelten als abhängig. Die 10- bis 17-Jährigen nutzen Social Media an einem typischen Wochentag zweieinhalb Stunden (157 Minuten). Im Jahr 2019 verbrachten Kinder und Jugendliche täglich durchschnittlich noch eine halbe Stunde weniger mit der Nutzung von sozialen Medien (Wiedemann, H., Thomasius, R., Paschke, K.: „Problematische Mediennutzung bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland: Ergebnisbericht 2024/2025“).
Anzeichen für suchthafte Social-Media-Nutzung
Hohes Suchtrisiko: Soziale Medien als Stresslöser
Das Gefühl, nicht aufhören zu können, um Problemen im realen Leben zu entfliehen, ist entscheidender Faktor für die Entstehung eine Social-Media-Abhängigkeit sowie für die Entwicklung negativer psychischer Folgen – sogar bedeutsamer als eine hohe Bildschirmzeit, so eine 2025 veröffentliche US-Studie (Weill Cornell Medicine 2025; Yunyu Xiao u.a.: „Addictive Screen Use Trajectories and Suicidal Behaviors, Suicidal Ideation, and Mental Health in US Youths“ in: JAMA 334 [3] 2025 S. 219-228). Entscheidend sei, wie Jugendliche mit Bildschirmen umgehen – insbesondere, ob ihre Nutzung Anzeichen von Zwang, Stress oder Kontrollverlust zeigt. Sogenannter „Technostress“ führt bei manchen Nutzern dazu, dass sie innerhalb eines sozialen Netzwerks lediglich von einer Funktion zu einer anderen wechseln, anstatt schlicht und einfach offline zu gehen. Sie versuchen sich abzulenken, verlieren sich aber in den Tiefen des Netzwerks, erhalten die Stressursache damit aufrecht und verbleiben für längere Zeit auf der Plattform. Das erhöhe wiederum die Wahrscheinlichkeit, eine Sucht zu entwickeln, so auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Lancaster University, der Universität Bamberg sowie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Je stärker jemand soziale Medien nutze, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit, sie auch zur Ablenkung bei Stress einzusetzen und möglicherweise eine Abhängigkeit von der Plattform zu entwickeln. Vor allem regelmäßige Nutzer der sozialen Netzwerke zeigten solches Bewältigungsverhalten (Tarafdar M. u.a..: „Explaining the Link between Technostress and Technology Addiction for Social Networking Sites“ in: Information Systems Journal 30 [1] 2020 S. 96-124). Wenn der Algorithmus auf Social-Media-Plattformen zudem nicht in erster Linie Beiträge von Accounts anzeigt, denen die User folgen, sondern hauptsächlich Videos, von denen die Plattform annimmt, dass sie den Nutzern gefallen könnten, kann dieser „Empfehlungssystemalgorithmus“ die User in ein Rabbit Hole locken, aus dem sie nur schwer wieder herauskommen, und dieser Algorithmus trifft zugleich auf Jugendliche, deren Impulskontrolle noch nicht voll entwickelt ist. So werden die Nutzerinnen und Nutzer möglichst lange auf der Plattform gehalten.
Prävention braucht unterstützende Eltern
Lange Nutzungszeiten, Technostress, aber auch fehlende Medienregeln innerhalb der Familie können das Risiko für die Entwicklung einer krankhaften Mediennutzung erhöhen. Unterstützende Eltern, die sich mit der Technologie auskennen und ihre Kinder aktiv dabei unterstützen, medienkompetent online zu kommunizieren, haben eine wesentliche Bedeutung in der Prävention. Dafür sollten Eltern eine aktive Rolle in der digitalen Kommunikation ihrer Kinder einnehmen. Sie sollten nicht nur Vorbild sein und ihr eigenes Social-Media-Verhalten kontrollieren können, sondern ihre Kinder zu einem möglichst sicheren und verantwortungsbewussten Umgang mit den sozialen Medien anleiten und informiert sein: Hilfreich ist, Inhalte und deren Suchtpotenzial sowie Alterskennzeichnungen zu kennen. Eltern sollten vor allem Interesse zeigen, aber auch Grenzen setzen: Wann? Wo? Was? Wichtig ist das Angebot von Alternativen: Vorschläge für eine ausgewogene Freizeitgestaltung mit positiven Erlebnissen und Möglichkeiten der aktiven Stressbewältigung.
Im folgenden Bereich finden Sie Antworten auf häufig gestellte Fragen rund um das Thema Sucht und Suchthilfe. Unser Anliegen ist es, Betroffenen, Angehörigen und Interessierten eine erste Orientierung zu bieten und wichtige Informationen verständlich aufzubereiten.
Bitte beachten Sie, dass diese Auskünfte eine individuelle Beratung nicht ersetzen können. Bei weiterführenden Fragen stehen wir Ihnen gerne vertraulich und anonym zur Verfügung.
Eine Sucht ist ein Zustand, in dem eine Person die Kontrolle über den Konsum eines bestimmten Stoffes (z. B. Alkohol, Drogen, Medikamente) oder ein bestimmtes Verhalten (z. B. Spielen, Internetnutzung) verloren hat. Sie verspürt einen starken inneren Drang danach, obwohl dies negative Folgen für das eigene Leben und die Gesundheit hat.
Typische Anzeichen sind:
Der erste und wichtigste Schritt ist, sich Hilfe zu holen – das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke. Du kannst dich an eine Suchtberatungsstelle wenden, einen Arzt oder eine Therapeutin aufsuchen. Auch Selbsthilfegruppen bieten Unterstützung und Austausch.
Sucht ist eine chronische Erkrankung, aber sie ist behandelbar. Viele Menschen schaffen es mit professioneller Hilfe, ein suchtfreies und erfülltes Leben zu führen. Heilung bedeutet nicht immer vollständige Abstinenz, sondern auch einen bewussten und kontrollierten Umgang mit dem eigenen Verhalten.
In der Regel werden die Kosten für eine Suchtbehandlung von der Krankenkasse oder Rentenversicherung übernommen – vor allem, wenn eine medizinische Notwendigkeit vorliegt. Suchtberatungsstellen sind meist kostenlos und anonym.
Tel.: 0800 / 588 87 51 (kostenfrei)
E-Mail: team@suchtundjugendhilfe.de
