Ratgeber zur Aufklärung und Vorbeugung
Sucht- und Jugendhilfe e.V.
Die Tourismus-Branche lockt junge Menschen an Partyziele wie den Ballermann oder Magaluf auf Mallorca, Ibiza oder Mykonos. Der Urlaub soll für die meist jungen Leute zu einer unvergesslichen Erfahrung werden. Dass die Mischung aus Partylaune, Alkohol und Gewalt vor allem für junge Frauen aus einem unvergesslichen Erlebnis ein unvergessliches Trauma machen kann, wird oft ignoriert und verschwiegen.
Grenzüberschreitungen in einem „Non-Stop-Party-Umfeld“
Neue Forschungsergebnisse der Universitäten Birmingham und Warwick haben gezeigt, dass solche Party-Ur-laubsziele das perfekte Umfeld für sexuelle Übergriffen schaffen. Im Jahr 2018 gaben 315 britische Touristinnen an, im Urlaub Opfer von Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch geworden zu sein, und eine Flughafenumfrage unter mehr als 6.500 jungen britischen und deutschen Touristen und Touristinnen, die aus Touristenorten in Griechenland, Zypern, Italien, Portugal und Spanien nach Hause zurückkehrten, ergab, dass 8,6 Prozent der Befragten sexuelle Belästigung erlebt haben. Das Geschäftsmodell des Partytourismus schafft Grenzbereiche, in denen extremes Verhalten gefördert wird. Es entsteht eine „Partytourismus-Blase“, ein „Non-Stop-Party-Umfeld“, in dem sexuelle Gewalt stattfinden könne. Dabei wird die Sicherheit weiblicher Touristen untergeordnet wirtschaftlichen Interessen.
Für Orte wie Ayia Napa auf Zypern würden Begriffe wie „Partyparadies“, „wild“, „verrückt“, „geil“ und „In Ayia Napa geht nachts richtig ab“ verwendet, um Party-Pauschalreisen zu bewerben. Auf Werbefotos sind junge Frauen und Männer zu sehen, oft in Badebekleidung, alle lächelnd, entweder in der Sonne oder in einem Nachtclub, mit einem Drink in der Hand. Dies weckt die Erwartung, dass dort übermäßiger Alkoholkonsum und möglicherweise auch Regelverstöße okay wären.
Natürlich verhalten sich nicht alle männlichen Touristen Frauen gegenüber sexuell übergriffig, und nicht alle Urlauberinnen werden Opfer sexueller Gewalt. Aber die „Partytourismus-Blase“ ermutigt junge Männer zu „männertypischen“ Verhaltensweisen, zu denen die sexuelle Objektivierung von Frauen und sexuelle Grenzüberschreitungen gehören. Frauen tragen das damit verbundene Risiko.
Weil Berichte über sexuelle Gewalt am Urlaubsort die „Blase“ aus Spaß, Sonne und Entspannung zum Platzen zu bringen drohen und damit nicht nur den Ruf von Party-Tourismus-Anbietern, sondern auch von Ländern, die stark vom Tourismus abhängen sind, beschädigen, dringen solche Fälle laut britischem Forschungsteam meist nicht an die Öffentlichkeit (University of Birmingham 2025; Columba Achilleos-Sarll u.a.: „Sun, sea and sexual violence: the political economy of party tourism“ in: International Affairs 101 [4] 2025 S. 1403 -1419).
Die US-Psychologin Megan Patrick befragte gemeinsam mit anderen Forschern der Universität von Michigan 651 Studienanfänger vor und nach dem sogenannten „Spring Break“, bei dem in den USA jedes Jahr Tausende Schüler und Studenten die Frühjahrsferien feiern. Doch die Freude über Ferien scheint nur vordergründig, denn in erster Linie geht es darum, exzessiv Alkohol zu konsumieren, manchmal bis zum Umfallen zu feiern und neue sexuelle Kontakte zu knüpfen. Schüler und Studenten, die auf eine Spring-Break-Reise gingen, waren fast viermal so häufig in Alkoholexzesse involviert wie jene, die an einer solchen Reise nicht teilnahmen. Laut der Studie gaben über 31 Prozent der 651 Studienanfänger an, während der Ferienpartys an Alkoholexzessen teilgenommen zu haben, und rund neun Prozent der Befragten berichteten von ungeschütztem Geschlechtsverkehr (Patrick, M. u.a.: „‚I got your back‘: friends‘ understandings regarding college student spring break behavior“, in: Journal of Youth and Adolescence [40] 2010 S. 108-120).
Betrunken, hemmungslos, impulsiv
Alkohol verringert Hemmungen und kann aggressives Verhalten fördern und beeinflusst die Selbstkontrolle. Der Alkoholrausch bewirkt, dass Betroffene ihr Verhalten weniger steuern können. So können sich aggressive Impulse entladen, die in sexuellen Gewalthandlungen münden können.
Zudem bewirkt Alkohol, dass Ängste gelöst und damit höhere Risiken eingegangen werden. Dieser Effekt ist bei Jugendlichen noch ausgeprägter, da sie schon aufgrund ihrer Entwicklungsphase zu höherem Risikoverhalten neigen und weniger an die Konsequenzen ihres Handelns denken. Unter Alkoholeinfluss verstärkt sich dieses Verhaltensmuster. Durch den Alkohol ist die Wahrnehmung beeinträchtigt und verzerrt. Das Urteilsvermögen potenzieller Täter ist stark eingeschränkt.
Sie sind deutlich aggressiver bei ihren „Flirtversuchen“ und ignorieren eine fehlende Zustimmung auf Seiten des Opfers. Alkoholkonsum führt aber auch dazu, dass die Fähigkeiten sozialer Interaktion stark eingeschränkt sein können. Das Verständnis für das Gegenüber, das Verhandeln über gegenseitige Wünsche und Bedürfnisse funktionieren länge nicht mehr wie im nüchternen Zustand.
Wesentliche Signale der Ablehnung werden beispielsweise übersehen oder schlicht ignoriert. Sexuelle Interessen werden unterstellt oder falsch interpretiert. Alkoholisierte Täter neigen dazu, die eigene Aggressivität zu unterschätzen, was sich innerhalb von Gruppen noch verstärken kann.
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