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Ratgeber zur Aufklärung und Vorbeugung
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Medikamente - Sucht- und Jugendhilfe

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) geht von 1,4 bis 1,8 Millionen Medikamentenabhängigen in Deutschland aus, das sind circa zwei Prozent der Bevölkerung.

Benzodiazepinhaltige Arzneimittel wie z.B. Valium oder Librium gehören zu den meistverordneten Medikamenten. Sie werden erfolgreich als Schlafmittel und gegen Angstzustände eingesetzt. Problematisch ist der Dauergebrauch. Bei Drogenmissbrauch werden Tranquilizer häufig in Kombination mit anderen Drogen konsumiert, um die Wirkung zu verstärken. Bis zur Einführung der Benzodiazepine waren Barbiturate die am häufigsten verwendeten Schlafmittel, die starke Nebenwirkungen wie Atemstörungen sowie hohes Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial besitzen.

Besonders erschreckend ist, dass unter den Medikamentenabhängigen auch immer mehr Kinder und Jugendliche sind. Immer höhere Anforderungen schon in der Grundschule, immer mehr Termine in der Freizeit und immer höhere Erwartungen der Eltern, all dies setzt Kinder schon viel zu früh unter Druck. Wenn solche Stressfaktoren dann auch noch durch die Einnahme von Medikamenten „weggeschluckt“ werden, ist die Tablettensucht schon bei den Jüngsten nicht mehr weit. So wundert es kaum, dass ein Drittel der Zwölf- bis 17jährigen mindestens einmal wöchentlich Medikamente gegen Schulstress und Leistungsüberforderung einnehmen. Schon Anfang der neunziger Jahre zählte das Frankfurter Institut für Medizinische Statistik knapp eine halbe Million Psychopharmaka-Verordnungen für Kinder unter zwölf Jahren.

Der Weg zur „Tablettensucht“ beginnt damit, dass eine Tablette eine angenehme Wirkung hat. Man kann nach einer Tablette endlich mal wieder richtig durchschlafen. Damit man sich in der nächsten Nacht nicht ruhelos im Bett wälzt wie eh und je, nimmt man wieder eine. So wird das Schlucken zur Gewohnheit. Der Mensch weiß zu diesem Zeitpunkt schon gar nicht mehr, ob er die Tablette eigentlich braucht oder nicht. Er will es aber nicht auf einen Versuch ankommen lassen. Er ist fest überzeugt: Er braucht die Tablette. 

Einige Tablettensüchtige kommen auf 30 bis 40 Schmerztabletten am Tag, viele auf 5 bis 20.

Durch die langsame Ausscheidung der eingenommenen Dosis kommt es bei täglicher Gabe schon von zweiten Tage an zur Anhäufung im Körper. Nach regelmäßiger Einnahme entwickelt sich eine Toleranz gegenüber dem Medikament und eine seelische, oft auch eine körperliche Abhängigkeit. Hat sich die Toleranz entwickelt, muss der Patient zur Schlafeinleitung die Dosis erhöhen.

Das Problem gerade bei Schmerzmitteln im Bereich der Selbstmedikation besteht darin, dass eine ärztliche Kontrolle nicht stattfindet. Da die Medikamente ohne Verschreibung zu haben sind, wird damit meist automatisch Harmlosigkeit assoziiert. Die in den Beipackzetteln genannten Nebenwirkungen und Dosierungsanleitungen werden dann häufig ignoriert. Vorsicht ist gerade geboten bei sogenannten Kombinationspräparaten, d.h. bei Präparaten, die mehrere Wirkstoffe enthalten. Hier kann es zu gefährlichen Nierenschädigungen kommen. Monopräparate mit nur einem Wirkstoff sind vorzuziehen, wenn unbedingt zu Schmerzmitteln gegriffen werden muss.

Es gibt verschiedene Medikamentengruppen, die süchtig machende Stoffe enthalten. Das sind nach Angaben der DHS:

  • Schmerzmittel
  • Hustenmittel
  • Schlafmittel
  • Beruhigungsmittel
  • Aufputschmittel.

Risiken:

Medikamente werden immer dann gefährlich, wenn ein Präparat nicht bestimmungsgemäß über einen längeren Zeitraum genommen werden. Die Entwicklung einer Tablettensucht hängt immer von persönlichen körperlichen und seelischen Merkmalen sowie der Zusammensetzung der Medikamente ab. Mit zunehmendem Alter verändert sich der Hirnstoffwechsel und die Suchtgefahr nimmt zu. Als kritische Grenze gilt für Benzodiazepine ein Verordnungszeitraum von über 3 Monaten. Manche Psychopharmaka machen jedoch auch schon nach vierwöchiger Einnahme süchtig. Neben physischer und psychischer Abhängigkeit verursacht der Missbrauch von Medikamenten u.a. Gedächtnisstörungen, Reaktionsverzögerung, unerwünschte Muskelentspannungen und Müdigkeit. Auch körperliche Schäden wie etwa Durchblutungsstörungen, Nierenschäden und Magen-Darm-Geschwüre können auftreten sowie Depressionen. Infolge der unerwünschten Wirkungen kann z.B. auch die Fahrtüchtigkeit eines Patienten erheblich eingeschränkt sein. Unwillkürliche Muskelentspannung führt mitunter zu Stürzen, die komplizierte Brüche nach sich ziehen können.

Entzugserscheinungen sind Angstzustände, Schwindelgefühle, Muskelzittern, Bauchkrämpfe, Übelkeit, Halluzinationen, Krampfanfälle.

 

FAQ

Im folgenden Bereich finden Sie Antworten auf häufig gestellte Fragen rund um das Thema Sucht und Suchthilfe. Unser Anliegen ist es, Betroffenen, Angehörigen und Interessierten eine erste Orientierung zu bieten und wichtige Informationen verständlich aufzubereiten.

Bitte beachten Sie, dass diese Auskünfte eine individuelle Beratung nicht ersetzen können. Bei weiterführenden Fragen stehen wir Ihnen gerne vertraulich und anonym zur Verfügung.

Was versteht man unter einer Sucht?

Eine Sucht ist ein Zustand, in dem eine Person die Kontrolle über den Konsum eines bestimmten Stoffes (z. B. Alkohol, Drogen, Medikamente) oder ein bestimmtes Verhalten (z.  B. Spielen, Internetnutzung) verloren hat. Sie verspürt einen starken inneren Drang danach, obwohl dies negative Folgen für das eigene Leben und die Gesundheit hat.

Typische Anzeichen sind:

  • Starker Wunsch oder Zwang, eine Substanz zu konsumieren oder ein Verhalten auszuführen
  • Kontrollverlust (Menge, Dauer, Häufigkeit)
  • Vernachlässigung von Pflichten, Hobbys oder sozialen Kontakten
  • Entzugserscheinungen bei Verzicht
  • Wenn du dir unsicher bist, kann ein Gespräch mit einer Fachkraft Klarheit bringen.

Der erste und wichtigste Schritt ist, sich Hilfe zu holen – das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke. Du kannst dich an eine Suchtberatungsstelle wenden, einen Arzt oder eine Therapeutin aufsuchen. Auch Selbsthilfegruppen bieten Unterstützung und Austausch.

Sucht ist eine chronische Erkrankung, aber sie ist behandelbar. Viele Menschen schaffen es mit professioneller Hilfe, ein suchtfreies und erfülltes Leben zu führen. Heilung bedeutet nicht immer vollständige Abstinenz, sondern auch einen bewussten und kontrollierten Umgang mit dem eigenen Verhalten.

In der Regel werden die Kosten für eine Suchtbehandlung von der Krankenkasse oder Rentenversicherung übernommen – vor allem, wenn eine medizinische Notwendigkeit vorliegt. Suchtberatungsstellen sind meist kostenlos und anonym.

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